Ein Bau für die Gemeinschaft – die Eröffnungsrede zur Grundsteinlegung

Wo ein gemeinsamer Wille herrscht, dort herrscht auch Erfolg. In seiner Rede zur Grundsteinlegung und dem „Märchen vom Waldschlösschen“ erinnerte Michel Nagel uns an diesen Grundsatz. Die Geschichte wurde der Zeitkapsel für die Nachwelt beigelegt. Doch auch an dieser Stelle wollen wir die Gelegenheit nutzen und uns die Eröffnungsansprache noch einmal in Erinnerung rufen.

 

Liebe Schulgemeinschaft, Bauausführende, Interessierte, kurzum alle Anwesende,

 

ich begrüße Euch und Sie recht herzlich zur Grundsteinlegung des Erweiterungsneubaus der Waldorfschule Cottbus.

 

Liebe Schüler,

ihr habt in den vergangenen Jahren, während vieler Bauepochen euer handwerkliches Geschick unter Beweis gestellt. Dabei sind allerhand Unterstände, Backöfen, Bänke und dergleichen entstanden, die sich wahrlich sehen lassen können.

ABER HEY, schaut mal her: HIER BAUEN DIE ERWACHSENEN!!

Ein klein wenig baut ihr ja nun auch wieder mit. Ihr habt ja mit euren Werken, die in dieser kleinen Kapsel gesammelt sind, dem Neubau einen hoffentlich guten Geist mit auf den Weg gegeben. Und auch ihr werdet euch hoffentlich daran erinnern, wenn ihr in den kommenden Jahren über den Boden des neuen Gartenbauraums flitzt, welche wichtige Botschaften unter euren Füßen lagern.

In welchem Geist wird dieses Haus errichtet?

Das ist eine bedeutsame Frage und da wir uns hier an einer Waldorfschule befinden kann ich sie wohl nur in Form eines Märchens beantworten:

 

Das Märchen vom Waldschlösschen

 

Es war einmal ein kleines Volk, das lebte in einem kleinen Dorf, inmitten eines großes Waldes. Daher nannte man die Menschen auch Walddörfler. Es waren sehr fleißige und einfallsreiche Leute. Sie taten, worauf sie sich verstanden und mit der Zeit kamen sie so auch zu etwas Wohlstand. Einzig an der Größe und am Zustand ihrer Häuser konnte man diesen Wohlstand nicht erkennen:

Das Volk war gewachsen und so war ihnen alles zu eng und unbehaglich geworden.

Zudem war den kleinen Katen das Alter durchaus anzusehen. Morsch und faulig waren die Wände, undicht die Dächer.

Als nun die Klagen um den Zustand der Häuser nicht mehr zu überhören waren beschloss der Ältestenrat einen Neubau zu errichten, in dem die ganze Gemeinschaft sicher und behaglich würde leben können. Die Walddörfler waren begeistert und machten sich gemeinsam an die Planung.

Nicht weniger als ein Volksschloss gedachten einige zu errichten und bereits darüber entbrannte der erste Streit. Man einigte sich zwar nach längerem Gezerre und Gezetere auf die Größe der gemeinschaftlichen Unterkunft, doch über die Frage nach den zu verwendenden Materialien und Baustoffen zerbrach der dörfliche Friede nun gänzlich:

Die Einen, deren Wortführer Maurer und Steinmetze waren, wollten einen kolossalen Steinbau, der bis in alle Ewigkeit von der Größe der Walddörfler zeugen würde.

Die Anderen, deren Wortführer Tischler und Zimmermänner waren, hatten einen Holzbau im Sinn, der für die Verbundenheit des Volkes mit dem Wald stehen würde.

Lange stritten sie sich und mit der Zeit wurden die Lager immer unversöhnlicher: entweder gehörte man zu den Steinernen oder zu den Hölzernen und obwohl es alle Leid waren in unbehaglichen und gedrängten Hütten zu hausen, fanden die Lager nicht zueinander.

Da entschieden sich die Steinernen eines Tages mit dem Bau trotzdem zu beginnen. Schnell wuchsen die Grundmauern in die Höhe.

Die Hölzernen ihrerseits wollten nun auch ihre Pläne in die Tat umsetzen und begannen im Wald mit dem Schlagen der Bäume.

Es entspann sich ein wahrer Wettbewerb. Die Hölzernen sägten und die Steinernen mauerten.

Als an den Mauern des Steinbaus jedoch der letzte Stein gesetzt worden war, begannen die Maurer zu zweifeln:

Niemals zuvor hatten sie ein Dach aus Stein gebaut. Es gab nun auch einige gut gemeinte Versuche die Mauern zu überspannen, die jedoch alle kläglich scheiterten.

Außerdem hatten beide Parteien die Kosten völlig aus den Augen verloren, denn für zwei Gebäude würde man auch das doppelte Geld benötigen. Beide Lager wussten sich nicht zu helfen.

Als nun die Erwachsenen aber ALLE Kinder des Dorfes GEMEINSAM auf dem Bauaushub herumtollen sahen, da kamen sie zur Besinnung. Eine Lösung der Probleme würde es auch nur GEMEINSAM geben. Das bereits gefällte Holz wollten sie zu Sparren und Brettern verarbeiten und die Zimmermänner sollten sich um das Dach und die Tischler um die Fußböden kümmern.

Und so kam es.

Nach kurzer Bauzeit schon konnten die Walddörfler in das neue, nicht zu große und nicht zu kleine, nicht zu steinerne und nicht zu hölzerne Waldschlösschen einziehen.

Und wenn das Volk der Walddörfler nicht wieder zu stark gewachsen ist, dann steht das Schlösschen sicher noch heute.    

 

Hier im Märchen zeigt sich mal wieder, dass, wie Johann Wolfgang von Goethe sagt, man „auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, [schönes bauen] kann.“

Und genau dieser Gemeingeist soll dem Bauwerk eingeschrieben werden. Denn letztlich ist es das Werk von Vielen, die gemeinsam im Kompromiss die besten Lösungen finden und das ein Einzelner letztlich niemals im Stande wäre zu vollenden.

Wahrscheinlich wäre es auch zum Streit im Dorf niemals gekommen, wenn die Walddörfler solch fähige Planer, wie das Büro Berger & Fiedler samt Fachplanern und Bauausführende, wie Stadt- und Landbau Bautzen gehabt hätte.

Vielen Dank von hieraus für die gute Zusammenarbeit.

Außerdem Dank an unser Kollegium und auch an die Eltern- und Schülerschaft, dass ihr Euch auf diesen Prozess eingelassen habt, der in den nächsten Jahren vorerst Entbehrungen fordern wird.

Und ich möchte schließen mit den Worten von Rudolf Steiners Grundsteinspruch und hoffe in seinem Sinne, 

„Dass gut werde,
Was wir aus Herzen
Gründen,
Aus Häuptern
Zielvoll führen wollen.“  

(Rudolf Steiner)

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